Jahresbericht 2024
Von Anbeginn des Jahres 2024 standen vor allem die in der Schulkinderbetreuung tätigen Ehrenamtlichen unter Druck. Die regelmäßige Hausaufgabenbetreuung in der Gemeinschaftsunterkunft Neurod, die ja überwiegend von der Flüchtlingsinitiative Marxzell mit ihrer Sprecherin Elisabeth Nenninger getragen wurde, platzte aus allen Nähten. Mit jeweils 12 – 14 Kindern und zwei Betreuungskräften war ein sinnvolles Arbeiten in dem fensterlosen Kellerraum, der uns nach dem Wasserschaden in den eigentlich dafür vorgesehenen Ehrenamtsräumen zugewiesen worden war, kaum mehr möglich.
Nachdem auch in Beratungsgesprächen mit den Sozialbetreuerinnen des Landratsamts und mit den in Neurod tätigen Fachkräften der Caritas keine Lösung des Problems gefunden wurde, fassten die Marxzeller Ehrenamtlichen den schmerzlichen Entschluss, die Hausaufgabenbetreuung vorerst auszusetzen. Wir Waldbronner hatten bis dahin gerade mal ein Viertel der Betreuungszeit übernommen und waren personell nicht in der Lage, die große Lücke zu füllen. So endete die 2018 eingerichtete Schulkinderbetreuung in Neurod vorerst mit einem kleinen Abschiedstreffen vor den Pfingstferien am 16. Mai.
Aus unserer Sicht war die einzige kurzfristig erreichbare Alternative zu unserer ehrenamtlichen Hausaufgabenbetreuung der Besuch eines Schulhorts. Zumindest für die Schüler der Waldschule erschien das grundsätzlich möglich, zumal die Gemeinde dort mit dem neuen Schuljahr plante, eine zweite Hortgruppe zu eröffnen. Davon mussten aber vor allem die Eltern überzeugt und darin unterstützt werden, die notwendigen Förderanträge zu stellen. Wir sind sehr froh, dass die Sozialbetreuerinnen der Caritas, die in ihrem Programm „Begleiten und Stärken“ (BeSt) Familien in der Fabrikstraße in Neurod unterstützen, diese Aufgabe mit großem Erfolg übernommen haben. So ist es Myriam Zander-Occhini, Pia Barié, Karina Da Silva Maciel und Susanne Öchsner zu verdanken, dass heute fast alle Schulkinder der Waldschule, die in der Gemeinschaftsunterkunft in Neurod wohnen, regelmäßig den Hort der Waldschule besuchen und dort auch bei ihren Hausaufgaben unterstützt werden.
Der Kontakt zu den Betreuerinnen der Caritas, die vor allem den Mehrzweckraum neben der Unterkunftsverwaltung, den so genannten „Glaskasten“ nutzen, hat sich dadurch noch vertieft. Neben individueller Beratung wird hier ein regelmäßiges offenes Treffen (Café Blu) angeboten und im Projekt Lernzeit werden Eltern von Grundschulkindern dazu animiert und unterstützt, sich aktiv für den Bildungserfolg ihrer Kinder einzusetzen. Auch das Programm des Vereins „Notfallpädagogik ohne Grenzen“ und die „Musikfabrik“ des Musikvereins Harmonie Etzenrot haben hierzu wichtige Arbeit geleistet. Es ist ein gutes Gefühl, als ehrenamtlich Aktive nicht allein auf weiter Flur zu stehen.
So haben wir uns auch gern an den Vernetzungstreffen beteiligt, die Natalie Steiner von der Caritas Ettlingen am 18.4. in der Gemeinschaftsunterkunft Neurod und am 15.10. im Waldbronner Rathaus organisiert hat. In diesen Runden gemeinsame Ideen zu entwickeln, erlaubt den Blick über den Tellerrand. Und die Möglichkeit, Kontakte zu anderen Akteuren zu knüpfen – hier vor allem zu Vertretern der Schulen und Kindergärten – hilft ganz praktisch.
Auch bei unserer internen Abstimmung versuchen wir, laufend Kontakt zu den hauptamtlichen Integrationsbetreuern zu halten. Wir sind froh, dass Barbara Bohnacker und Stefan Schreier vom Landratsamt sowie Manuel Lorch von der Gemeinde Waldbronn uns bei den monatlichen Treffen unserer Steuergruppe regelmäßig über die aktuelle Situation in den Gemeinschaftsunterkünften auf dem Laufenden halten und uns auch sonst mit Rat und Tat zur Seite stehen. Unser Dank gilt auch dem Gesangverein Concordia Reichenbach, in dessen Räumlichkeiten wir uns jeden Monat treffen können.
Neue Wege müssen wir in unserer digitalen Kommunikation gehen. Bisher konnten wir eine kostenlose E-Mail-Adresse auf einem Server der Gemeinde nutzen, was aber aus Gründen der Datensicherheit künftig nicht mehr zulässig ist. So haben wir uns einen kommerziellen Provider gesucht, der uns eine neue E-Mail-Adresse eingerichtet hat. Ab sofort sind wir über [email protected] zu erreichen. Auch unsere Website, die ja heute noch in das Internet-Angebot der Gemeinde unter www.waldbronn.de I GEMEINDE I AK Asyl integriert ist, wird umziehen müssen. Mit dem fürs nächste Jahr vorgesehenen neuen Internet-Auftritt der Gemeinde Waldbronn wird die Pflege einer Website durch Personen außerhalb des Rathauses nicht mehr möglich sein.
Ein schwerer Verlust traf uns im Mai, als nach kurzer, schwerer Krankheit unser Freund Achim Doster verstarb. Er hatte sich viele Jahre unermüdlich – mit seiner Erfahrung als pensionierter Lehrer – um das Fortkommen von Schulkindern gekümmert. Mit seiner fröhlichen Art und seiner hartnäckigen Hilfsbereitschaft wird er uns immer in Erinnerung bleiben.
Jedes lockere Beisammensein ohne Tagesordnung bietet die Chance, für die eigenen Fragen und Sorgen ein Gegenüber zu finden und Gemeinsamkeit zu erleben – egal ob dabei ehrenamtliche Helfer, Geflüchtete oder beide zusammen am Tisch sitzen. Nur – so eine Umgebung zu schaffen, bedeutet Arbeit. Nachdem wir unser traditionelles Begegnungscafé im letzten Jahr zweimal geöffnet hatten und viel Zuspruch erleben konnten, entschieden wir uns, in diesem Jahr viermal dazu einzuladen, am 26. April, am 5. Juli, am 11. Oktober und am 6. Dezember. Wie in den letzten Jahren übernahm Andrea Koller die Gesamtorganisation für den Café-Betrieb im katholischen Pfarrzentrum Reichenbach. Es kamen zahlreiche Gäste aus aller Herren Länder, wobei die ukrainische Fraktion sowohl zahlenmäßig als auch vom Speisenangebot dominierte. Wir danken allen Helferinnen und Helfern und allen, die etwas mitgebracht haben, von Herzen.
Neben diesen breit angelegten, aber nur gelegentlich stattfindenden Zusammenkünften sind regelmäßige Treffen im kleinen Kreis hilfreich für Personen mit besonderen Interessen oder Problemen. So bildet der von Christine Keller organisierte wöchentliche Frauentreff in der Tagespflege der Caritas Ettlingen eine wichtige Plattform des Erfahrungsaustauschs und gegenseitiger Unterstützung. Wir sind der Einrichtungsleitung sehr dankbar, dass sie nicht nur die Räume zur Verfügung stellt, sondern sich auch als Mitveranstalterin engagiert. Die Beteiligung der Frauen wechselt stark, ebenso wie die Themen, die von klassischen Problemen von Frauen in Familie und Gesellschaft bis zum Ausfüllen einer Steuererklärung reichen.
Ein neues Angebot für Personen, die ihr Deutsch in der persönlichen Kommunikation verbessern wollen, hat Doris Müller im September ins Leben gerufen. Im Sprachcafé lernen motivierte Sprachlehrlinge mit spielerischen Methoden, ihre Vorstellungen im Dialog auszudrücken. Es ist eine ganze Reihe unserer Ehrenamtlichen, die sich jede Woche in den Räumen des evangelischen Gemeindezentrums in Reichenbach als Spiel- und Gesprächspartner für die Geflüchteten, die überwiegend aus der Ukraine stammen, zur Verfügung stellt.
Darüber hinaus stellen wir fest, dass die aus der Ukraine nach Waldbronn gekommenen Menschen zunehmend auf eigenen Füßen stehen und nur noch wenig Unterstützung im Alltag brauchen. Vor allem Sprachförderung wird aber gerne angenommen. Das gilt auch für die Schulkinder, für die Frank Heinrich in der Anne-Frank-Schule eine regelmäßige Hausaufgabenbetreuung anbietet und die nicht nur, aber ganz überwiegend von ukrainischen Kindern in Anspruch genommen wird.
Das, was nach außen von unserer Arbeit sichtbar wird, sind natürlich die Treffen und Veranstaltungen, zu denen wir einladen. Der größte Teil unserer ehrenamtlichen Arbeit findet aber eher im privaten Umfeld statt. Zuallererst sind hier unsere Patinnen und Paten zu nennen, die Familien in der Bewältigung ihres Alltags unterstützen, sei es bei Transportproblemen, Arztbesuchen oder Behördenkontakten. Oft sind es alleinerziehende Mütter mit kleinen Kindern ohne ausreichende Sprachkenntnisse, die es, auf sich allein gestellt, extrem schwer haben.
Bei dieser Familienarbeit wird auch immer wieder sichtbar, wie schwierig die Wohnverhältnisse für unsere Schützlinge sind. Einer der am häufigsten an uns herangetragenen Wünsche ist der nach einer eigenen Wohnung außerhalb der Gemeinschaftsunterkünfte – ein Wunsch, der bei der herrschenden allgemeinen Wohnungsknappheit utopisch erscheint. Trotzdem haben es unsere Familienhelferinnen mit ihren persönlichen Netzwerken auch in diesem Jahr wieder geschafft, die eine oder andere Mietwohnung für geflüchtete Familien in Waldbronn aufzutun.
Die Vermittlung von Arbeit und Ausbildung konnte auch in diesem Jahr einige Erfolge verzeichnen. Unser Jobcoach Peter Stemer hatte in diesem Jahr allerdings überwiegend damit zu tun, Personen, die bereits in Lohn und Brot sind, in höherwertige Arbeitsverhältnisse zu vermitteln. So bietet der Fachkräftemangel damit auch unseren Klienten eine verbesserte Perspektive. Nachdem inzwischen einige von uns betreute Schulkinder ihren Hauptschulabschluss gemacht haben, geht es auch immer mehr um geeignete Ausbildungsplätze.
Wir sind froh, dass die Spendenbereitschaft der Waldbronner Bürgerinnen und Bürger auch im vergangenen Jahr nicht nachgelassen hat. Dies betrifft vor allem Fahrräder für unsere Fahrradwerkstatt sowie Kleidung und Hausrat, die Gundi Bechtel und ihre Helferinnen in unserer Kleiderkammer unermüdlich sammeln, sortieren und zu jeweils vereinbarten Terminen an unsere Schützlinge wieder ausgeben. Inzwischen hat die Waldbronner Kleiderkammer einen so hohen Bekanntheitsgrad erreicht, dass immer wieder Anfragen aus der ganzen Region bei uns eingehen. Auch geht es nicht nur um Kleidung und Hausrat aller Art, es wurden auch Möbel und Wohnungseinrichtungen angenommen und verteilt. Unser Dank für diese kraftvolle Unterstützung gilt Klaus Bechtel und Jens Puchelt mit ihrem Team sowie der Bäckerei Nussbaumer, die Transportfahrzeuge unentgeltlich dafür zur Verfügung gestellt hat. Vor allem aber danken wir allen Spenderinnen und Spendern herzlich.
Nachdem die Fahrradwerkstatt in der Gemeinschaftsunterkunft Neurod in 2023 zweimal von Wasserschäden und Zwangsumzügen heimgesucht war, konnten unsere Schrauber sich im Laufe dieses Jahres gut im Ehrenamtsraum einrichten. Die Fahrradspenden gingen reichlich – manchmal fast zu reichlich für die Lagerkapazitäten – ein und das Team mit seinem Sprecher Harry Schäfer konnte sich auch personell verstärken. So schien alles im Lot – bis zum 24. November, als wir am Sonntagmorgen telefonisch nach Neurod gerufen wurden, um dort vor der aufgebrochenen Tür der Fahrradwerkstatt und ausgeräumten Werkzeugregalen zu stehen. Der Einbruchdiebstahl hat uns ziemlich mitgenommen. Der finanzielle Verlust in Höhe von etwa 2.000 Euro wäre noch zu verschmerzen, zumal die Aussicht auf eine zumindest teilweise Erstattung durch die Versicherung der Gemeinde besteht, aber die undankbare Aufgabe, zerstörtes und gestohlenes Gerät zu dokumentieren und neu zu beschaffen, ist für unsere ehrenamtlichen Monteure wirklich eine bittere Pille.
Ein versöhnliches Jahresende mit den Schulkindern ergab sich aus der Wunschzettelaktion der Gemeinde. Nachdem wir im letzten Jahr das Ausfüllen der Wunschzettel, das Anbringen am Wunschbaum im Rathaus und das Zusammentragen der Geschenkpäckchen für die Schulkinder unserer Hausaufgabenbetreuung in Neurod übernommen hatten, haben in diesem Jahr die Betreuerinnen des BeSt-Projekts der Caritas Ettlingen die Familien dazu animiert, die Wunschzettel selbst ins Rathaus zu bringen und gemeinsam am 12. Dezember dort die Geschenke abzuholen. So konnten Kinder und Eltern zusammen mit den Caritas-Betreuerinnen vor dem Rathaus bei Punsch und Plätzchen Bescherung feiern, eine Feier, an der wir gerne teilgenommen haben.
Auch der freundliche Empfang der Kreisintegrationsstelle in der Ettlinger Ideenspinnerei am 5. November trug zu einem schönen Jahresabschluss bei.
Eine fast weihnachtlich anmutende freudige Überraschung war der Sturz des Diktators Assad in Syrien Mitte Dezember. Wir freuen uns sehr mit unseren syrischen Freunden und Partnern über den unerwarteten Zusammenbruch der Schreckensherrschaft in ihrer Heimat. Es ist für uns alle ein wichtiges Zeichen der Hoffnung, dass Unterdrückung, Folter und Krieg nicht von Dauer sind.
Die aktuelle Diskussion über die Folgen der Migration wird zumeist mit dem Fokus geführt, dass mehr Menschen zu uns kommen als wir bewältigen können. Unser Blickwinkel ist ein anderer: Es leben inzwischen viele Menschen aus aller Herren Länder unter uns, von denen – aus den unterschiedlichsten Gründen – sicher davon auszugehen ist, dass sie hierbleiben werden. Was ist mit denen? Wir müssen alles versuchen, sie so in unsere Gesellschaft zu integrieren, dass sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können, am besten durch eine berufliche Tätigkeit, die dem drängenden Fachkräftemangel entgegenwirkt. Dafür setzen wir uns ein.
Die Zeiten sind nicht leicht, wir sollten uns aber immer bewusst sein, dass wir hier immer noch in einem reichen Land in Frieden leben und denen, die es brauchen, noch viel Hilfe leisten können – nicht zuletzt zu unserem eigenen Nutzen.